Züchtung neuer Mostbirnen-Sorten

Im Herbst nächsten Jahres (2023) ist es soweit: die nächste Phase des Projekts ‚Elisabeth‘ kann beginnen. Die Ersten durch Kreuzung entstandenen Birnbaum-Sämlinge sind dann bereits zwei Jahre gewachsen und können ausgepflanzt werden. Worum es geht: eine Folge der Klimakrise sind ‚Extremwetterlagen‘, heißere Sommer, (zu) milde Winter, später Frost, Starkregen und/oder lange Dürrephasen. Seit einigen Jahren bekommen Landwirte und Obstanbauern weltweit die Auswirkungen dieser Veränderungen zu spüren. Die Ernteerträge gehen zurück und Schädlingsbefall sowie Krankheiten nehmen zu. Die Zucht neuer, angepasster Obst- und Gemüsesorten, welche mit den neuen Bedingungen besser zurechtkommen, ist eines der wichtigsten ‚Werkzeuge‘, welche uns im Kampf gegen die Klimakrise zur Verfügung stehen.

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Die Birne spielte in unserem Land schon von alters her eine ganz besondere Rolle, da sie für die Herstellung des wichtigsten Getränks zu diesen Zeiten, dem Most, die dafür notwendigen Früchte lieferte, die neben Säure und Zucker auch Gerbstoffe als weiteres Rückgrat für das Getränk bieten. Um 1900 war in vielen Gemeinden der Anteil von Birnen in den Streuobstwiesen höher als der vom Apfel. Dies änderte sich noch vor dem Zweiten Weltkrieg, ab dieser Zeit nahm der Apfel deutlich zu. Im Jahr 2015 betrug der Birnenanteil nur noch 20-25 %. Auffallend ist außerdem der hohe Anteil von alten Birnbäumen, denn in den letzten 40 Jahren wurden nur noch wenige Birnbäume gepflanzt. Der Zustand der Mostbirnenbestände in unserem Land ist aus verschiedenen Gründen katastrophal. Das ist allerdings nicht nur bei uns so, sondern auch in unseren Nachbarländern, der Schweiz und in Österreich ist die Lage nicht besser.

Birnen spielen im Streuobstbau eine ganz besondere Rolle, weil die Bäume sehr groß und auch sehr alt werden.  Birnen sind im wahrsten Sinn des Wortes landschaftsprägend. Während Apfelbäume 80 bis höchstens 100 Jahre alt werden, können Birnbäume das doppelte Alter erreichen. Diese alten Birnbäumen bieten vielen Tieren Lebensraum. Birnbäume sind auch insofern interessant, als sie früher als der Apfel blühen. Sie sind deshalb für viele Insekten wichtig als frühe Nektar- und Pollenquelle.

Es sind verschiedene Ursachen, die zu dem heutigen kritischen Zustand des Birnbaumbestandes führten. Ganz entscheidend ist dabei die Änderung der klimatischen Bedingungen. Trockenheit und Hitze setzten den alten Bäumen stark zu. Eine weitere Ursache ist die Krankheit ‚Birnenverfall‘, die immer öfter vorkommt, weil die Bäume durch den ‚Klimastress‘ vorgeschädigt sind. Innerhalb der einzelnen Sorten gibt es aber deutliche Unterschiede im Befall. Besonders stark ist dieser bei der beliebten und am meisten vorkommenden ‚Schweizer Wasserbirne‘ und auch bei der bekannten und für die Verarbeitung sehr wichtigen ‚Champagner Bratbirne‘. Deutlich weniger befallen sind z. B. die ‚Karcherbirne‘, die ‚Bayerischen Weinbirne‘ und die ‚Paulsbirne‘. Die ‚Wilde Eierbirne‘ und die ‚Nägelesbirne‘ zeigten bisher keinen Befall. Diese Sortenunterschiede gilt es züchterisch zu nutzen.

Seit Jahrzehnten kann man schon den Rückgang der Anzahl der Mostbirnenbäume beobachten. Im bekannten Mostviertel in Niederösterreich hat man deshalb schon vor Jahren mit der Pflanzung junger Bäume begonnen, da der Rohstoff Birne für die Mostherstellung und verwandte Produkte immer knapper wurde. Auch bei uns ist eine solche Entwicklung zu erwarten. Wenn man nun mit Neupflanzungen beginnt, sollte man die Empfindlichkeit der Sorten gegen die zukünftigen klimatischen Bedingungen und auch gegen bekannte Krankheiten beachten. Aus dieser Problematik heraus entwickelten wir den Gedanken, neue, widerstandsfähige Sorten zu züchten, die dem Klimawandel hoffentlich besser gewachsen sind. Nach unserem Kenntnisstand ist das ‚Projekt Elisabeth‘ das Einzige seiner Art, derzeit wird nirgendwo sonst in Deutschland oder einem unserer Nachbarländer an der Mostbirnenzucht gearbeitet.

Die Birnenzüchtung

Sortenkenntnisse, aber auch Kenntnisse in der Obstsortenzüchtung, sind die Grundvoraussetzungen für ein solches Projekt. Im „Verein zur Erhaltung und Förderung alter Obstsorten“ gibt es zahlreiche Personen, die bezüglich Obstsorten sehr bewandert sind. So befasst sich zum Beispiel der zweite Vorsitzende des Vereins, Dr. Walter Hartmann, schon seit Jahrzehnten mit Mostbirnen. Unter anderem in einem Projekt des baden-württembergischen Ministeriums für ländlichen Raum und Verbraucherschutz „Alte Mostbirnen-Sorten und Prüfung der Verwertungsmöglichkeiten“. Die damals gesammelten Sorten wurden in Hohenheim aufgeschult und dann später in den Mostbirnen-Sortengarten ‚Unterer Frickhof‘ übernommen, welcher zur Genbank Obst gehört.

Der „Verein zur Förderung und Erhaltung alter Obstsorten – Rettet die Champagner Bratbirne“ kam im Jahr 2020 in den Genuss einer Spende, die verbunden war mit dem Auftrag zur Züchtung neuer Mostbirnensorten. Dies gab den Anstoß zum neuen Projekt. Zu Beginn eines solchen Vorhabens steht die Zuchtplanung mit der Auslese der Elternsorten nach folgenden Kriterien: Resistenz gegen Birnenverfall, Fruchtqualität, gesundes, starkes Wuchs etc.. Die wichtigsten und für die Züchtung interessanten Sorten sind in Tabelle 1 aufgeführt. Mit in das Programm aufgenommen werden, sollen allerdings auch französische und englische Cidersorten. Bedingt durch die zunehmende Gefahr der Spätfröste werden auch spätblühende Sorten wie die ‘Späte Weinbirne‘ und die ‘Glockenbirne de cloche‘ im Züchtungsprogramm berücksichtigt.

Einordnung der verschiedenen Birnensorten